Ausbildung


Ein sehr hoher Prozentsatz verlässt unsere Branche nach der Ausbildung. Darüber sagt das DEHOGA Jahrbuch allerdings nichts aus. Man liest nur immer wieder von den vielen „Fremdgängern“ nach der Lehre. Sie sind frustriert von der Diskrepanz dessen, was man ihnen vor der Ausbildung gesagt hat und was sie dann in der Lehre praktizieren mussten. Nicht die Sonn- und Feiertagsarbeit oder die geringen Verdienstmöglichkeiten sind es, denn das haben sie vorher alle gewusst und auch akzeptiert, sonst wären sie nicht in diesen Beruf gegangen. Es ist der Frust über die vielen und meist auch noch unbezahlten Überstunden, die laufend geänderten Wochenarbeitspläne, die „Aushilfen“ im Service oder auf der Etage, obgleich man in anderen Abteilungen seine Ausbildung macht, etc.

Wenn man also ehrlich und selbstkritisch genug ist und sich in die Lage eines Auszubildenden versetzt, dann kommt man in sehr vielen Betrieben zwangsläufig zu folgenden Ergebnissen:

  1. Macht die Ausbildung wirklich Spaß?
  2. Wir mir das beigebracht, was im Ausbildungsplan steht?
  3. Warum muss ich dauernd Überstunden machen?
  4. Warum werden diese Überstunden nicht bezahlt?
  5. Warum werden die Dienstpläne dauern geändert?
  6. Warum wird auch an freien Tagen immer wieder angerufen: „Du musst sofort kommen und arbeiten!“
  7. Warum habe ich heute Spät- und morgen Frühdienst?
  8. Warum muss ich so oft im Service „aushelfen“?

Das sind nur einige Fragen, die nicht jeder Betrieb zur Zufriedenheit des Auszubildenden beantworten kann. Sie sind meiner Ansicht nach mit die wichtigsten Gründe, warum die jungen Menschen uns nach der Lehre verlassen.

Andere Branchen nehmen dann diese jungen Menschen mit Kusshand auf, denn sie wissen, dass sie über das normale Maß hinaus Einsatz zeigen, mit geringen Gehältern zufrieden sind und mit Kunden umgehen können.

Wer derartige Ausbildungspraktiken am eigenen Leib erfährt und in der Branche bleibt, praktiziert sie in der Regel auch, wenn sie/er dann eine „Ausbildereignungsprüfung“ abgelegt hat und selber Mitarbeiter ausbildet. „Es war zwar eine harte Lehre, doch sie hat mir nicht geschadet!“ verkündet man dann stolz.

Der Branche allerdings schon, denn sie verliert jährlich einen zu großen Teil des Nachwuchses. Dieser negative Kreis muss durchbrochen werden. Daher klagt die Branche aus ständig über „Personalknappheit“ und sucht händeringend nach Köchen und Servicekräften.

Man muss sich nur die Argumentation anhören: „Die Hotelfachschulen produzieren am Bedarf vorbei. Wir brauchen keine Hotelkaufleute sondern Köche und Kellner!“

Doch brauchen wir wirklich Köche, die nur Kochen und nicht Rechnen können?

Brauchen wir Kellner (Restaurantfachleute) die zwar genau wissen, von welcher Seite man einsetzen und von welcher man abservieren muss, nicht jedoch, wie man „Gastgeber“ wird und Gäste so betreut, dass sie sich wohlfühlen?

In sehr vielen Betrieben servieren heute Studentinnen und Aushilfen, die nie ausgebildet wurden. Sie haben nur sehr schnell gelernt, dass man mit Freundlichkeit mehr Trinkgelder bekommen kann und mehr Spaß an der Arbeit hat, als mit „perfektem“ Service.

Und was ist schon perfekter Service? Schwarzer Anzug (mit glänzenden Ärmeln), Fliege oder schwarzer Schlips, Hand auf dem Rücken und von rechts servieren? Dabei ernst wie auf einer Beerdigung dreinschauen und so arbeiten, das „der Service viel dadurch auf, dass er nicht auffiel“, wie man es bei „Laudatien“ sich immer wieder anhören muss, während man bei den Köchen von „das war schon an der Grenze dessen, was man an Kochkunst erbringen kann“. Schmarrn, würde der Bayer sagen, doch das ist die Realität in unserer Branche.

Polemisch? Gewiss. Doch selbst in 3-Sterne Restaurants ist dieser Service out. Das hat schon Susanne Gartner damals im ihrem „Gala“ in Aachen anders praktiziert und wurde damit erste weibliche „Sommelier des Jahres“. Heute sagt uns Uta Bühler von der „Residence“ in Essen-Kettwig, wie man Spitzenservice im First-Class-Restaurant praktiziert, damit sich die Gäste nicht wie geschulmeistert vorkommen, sondern sich wohlfühlen.

Früher war in Skandinavien und besonders in Schweden das „Dienen“ und insbesondere der Beruf in der Gastronomie total verpönt und im unteren sozialen Status angesiedelt. Bis Jan Carlzon als Chef der SAS (Scandinavian Airlines) ein Buch herausgebracht hat, das „Alles für den Kunden“ heißt. Es hat praktisch zu einer Revolution des Serviceberufes in Skandinavien geführt und den Servicegedanken ganz nach oben gebracht. Es brach ein Boom in den Serviceberufen aus und jeder wollte im Hotel oder Restaurant arbeiten.

Doch was war das Geheimnis dieser „Revolution“? Ganz einfach. Er hat nur die Hierarchie-Pyramide um 180 Grad gedreht und gesagt: „Die ersten 10 Sekunden sind die Momente der Wahrheit!“ Hier entscheidet sich, ob der Gast/Kunde sagt: „Ein tolles Unternehmen!“ oder „Da gehe ich nie wieder hin!“ Er hat also die Kompetenz direkt an den „Point of Sale“, d. h. an die Person an der „Front“, die als erstes mit dem Gast/Kunden in Kontakt tritt, verlagert, und ihr – und das war entscheidend – eine sehr große Entscheidungsfreiheit und -kompetenz gegeben.

Wir kennen das Sprichwort: „Der erste Eindruck ist entscheidend.“ Wir wissen auch, dass „der erste Eindruck entscheidend für den Aufenthalt und der letzte Eindruck entscheidend für die Erinnerung“ ist. Doch wie setzen wir dies in der Ausbildung unserer Mitarbeiter/innen um? So gut wie überhaupt nicht?

Welche Kompetenzen haben diese Personen in unserer Branche? So gut wie keine. Sie dürfen nur servieren und anschließend das Geld abliefern. Vielleicht etwas überspitzt formuliert, doch sehr weit von der üblichen Praxis entfernt?

Warum sind „Italiener“ oder „Griechen“ immer gut besucht und die deutschen Restaurants meist leer? Es gibt viele Antworten. Aber ist nicht die Art, wie man in diesen Häusern mit den Gästen umgeht, ein sehr großer Erfolgsfaktor und nicht nur das, was auf den Teller kommt oder der Preis dafür, eines der wichtigsten Erfolgsfaktoren? Man will nicht nur gut Essen und Trinken, man will sich auch wohlfühlen und Spaß haben?

So tauchen auch im fachlichen Bereich Fragen auf, die zu meiner Lehrzeit kein Thema sein konnten, heute jedoch einer Antwort bedürfen:

  1. Wer bildet die Auszubildenden am PC aus?
  2. Wer bringt den Auszubildenden Betriebswirtschaft und Kalkulation bei?
  3. In welchen Betrieben wird in der Ausbildung Marketing gelehrt?

Nun, wer dann argumentiert, dass diese Dinge nicht zur Aus- sondern zur Fortbildung gehören, dann frage ich mich wirklich, warum die Ausbildung drei Jahre dauern muss?

Die Antwort kann doch wohl nicht lauten, dass man in unserer Branche diese günstigen Mitarbeiter unbedingt braucht, um überhaupt noch unter 50 % Mitarbeiterkosten bleiben zu können?

Dann könnte man auch überspitzt fragen, ob unsere jungen Mitarbeiter/innen nicht missbraucht werden, um die eigene Rendite zu sichern? Wären viele Betriebe nicht längst insolvent, wenn sie diese günstigen Auszubildenden nicht mehr hätten?

Solche Fragen hört man natürlich nicht gerne, doch müssen wir uns überlegen, ob das, was vor 30 oder 40 Jahren noch gut oder sogar sehr gut war, heute auch noch gut ist. Wenn man allzu lange glaubt, man ist gut und sich als „Weltmeister“ fühlt, ruht man sich auf seinen Lorbeeren aus und merkt gar nicht, dass der Markt sich geändert hat und das, was einmal gut war, inzwischen „out“ ist und man es sogar als falsch bezeichnen könnte.

Nun sind zwar einige Änderungen in den letzten Jahren vorgenommen worden, doch bin ich der Ansicht, dass unser Ausbildungssystem nicht zukunftsorientiert ist.

  1. Es ist zu sehr auf (veraltete?) fachspezifische Dinge fixiert.
  2. Es ist zu wenig betriebswirtschaftlich orientiert.
  3. Es berücksichtigt zu wenig Marketing.
  4. Es beinhaltet keine Mitarbeiterführung.
  5. Es kennt keine Gästepsychologie.

Eine der nach meiner Ansicht besten Ausbildungen wird an den Berufakademien (BAK) praktiziert. Hier ist eine optimale Verbindung zwischen Theorie und Praxis vorhanden. Ich rate allen jungen Menschen, statt drei Jahre zu lernen, lieber drei Jahre auf eine BAK oder WAK (Wirtschaftsakademie) zu gehen.

Doch wie sieht es dann in der Praxis aus? Es gibt nur sehr wenige Betriebe, die solche Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Und warum wohl? „Da habe ich ja nichts davon. Die muss ich für drei Jahre bezahlen und sie sind nur 18 Monate bei mit im Hotel und davon geht noch deren Urlaub ab.“ Das müssen sich in vielen Fällen die Verantwortlichen in den BAK´s und WAK´s und der betroffene Auszubildende anhören).

Also doch: Die Auszubildenden werden nur als billige Arbeitskräfte (aus-)genutzt!

Gewiss ist das ein harter Vorwurf, der nicht verallgemeinert werden darf. Doch der Zwang, günstige Mitarbeiter zu suchen, ist sehr groß und da nutzt man diese Möglichkeit sicherlich, ohne sich groß Gedanken darüber zu machen, ob dies auch für die Auszubildenden der richtige Weg ist.

Ich selbst habe in meinem Hotel Garni einen jungen Mitarbeiter eingestellt, dem wir in nur einem Jahr beibringen, wie man ein Hotel Garni führt. Dabei wird er nicht nur Bettenmachen und Frühstück servieren lernen, sondern auch Marketing und Betriebswirtschaft, so dass er in der Lage ist, einen solchen Betrieb alleine zu führen.

Doch dafür gibt es keinen offiziellen Ausbildungsplan und keine Abschlussprüfung. Da die Mitarbeiter jedoch ein Zeugnis mit einer Abschlussprüfung haben möchten, um sich später bei anderen Betrieben bewerben zu können, ist eine solche Ausbildung nicht möglich, sondern er muss drei Jahre Hotelfachmann lernen.

Ich glaube daher, dass es nicht nur neue Formen der Ausbildung geben muss, wie es mit der Systemgastronomie bereits erfolgt ist, sondern auch die Inhalte erheblich aufgefrischt werden müssen.

Doch was nützt eine Auffrischung, die Ausbildungsrichtlinien müssen dann auch gelehrt werden und nicht nur auf dem Papier stehen.

Doch was nützen diese neuen Inhalte, wenn die Ausbilder selbst keine Ahnung von Marketing, EDV-Kalkulation oder moderner Mitarbeiterführung haben, weil sie in ihrem Wissensstand dort stehen geblieben sind, wo sie ihre Aus- und Fortbildung abgeschlossen haben.

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